Chronik

Die Geschichte vom KOMMZ
Kommunales Jugendhaus
1975 Erstes Parkfest
1976 Nilkheimer Parkfest auf dem Wege zum KOMMZ
1978 Gibt es noch ein Fest
Freundeskreis für Kultur e.V.
Werbung
Organisation
Vorbereitung
Abbau
Kommz-Gruppe

Kommunales Jugendhaus
Auch an der bayerischen Provinzstadt Aschaffenburg am Main, ging 1968 nicht spurlos vorbei.
1970 wird der Sozialdemokrat Willi Reiland, der im Wahlkampf mit achtundsechziger Parolen um das junge Wählervolk geworben hatte zum Oberbürgermeister gewählt. So konnte das kommunale Jugendhaus der Stadt Aschaffenburg entstehen, das von den Jugendlichen in Selbstverwaltung geleitet werden sollte.
(die Trägerschaft lag in den Händen des Stadtjugendamtes, es wurden zwei Sozialpädagoge eingestellt, die mit den Jugendlichen gemeinsam ein eigenständiges Konzept zur Nutzung des Jugendhauses erstellte.)
In der Konzeption von 1974 heisst es, Heranwachsende sollen motiviert werden, selbst Verantwortung zu übernehmen und lernen, alle damit verbundenen Hürden zu meistern …
Zur Selbstverwaltung wurde der legendäre Hausrat ins Leben gerufen.
Der Hausrat ist Entscheidungsinstanz im Jugendhaus; er tagt öffentlich.
Der Hausrat befasst sich mit den allgemeinen Aufgaben im JH (Organisation, Haushaltsplan, Veranstaltungen, Termine, usw.)
mit den Problemen, die speziell die Gruppe betreffen.
mit den Problemen der JH-Besuchern, die in keiner Gruppe sind.
Der Hausrat setzt sich zusammen aus zwei SozialarbeiterInnen und aus Vertretern der einzelnen Gruppen (Jede Gruppe schickt mindestens einen Vertreter in den Hausrat.)
Jeder Vertreter hat Stimmrecht im Hausrat und informiert seine Gruppenmitglieder.
Im Jugendhaus (am Wolfsthalplatz)
werden wöchentlich Musik- und Theaterveranstaltungen von Jugendlichen für Jugendliche organisiert.
Verschiedene Interessengruppen arbeiten selbständig und in Eigenverantwortung : politische Initiativen, Frauengruppe, Selbsthilfetreffs, Teestube, Kellergruppe, Filmgruppe, um nur ein paar zu nennen und, wichtig, das Chilekomitee.

1975 Erstes Parkfest
wird im Jugendhaus das erste Parkfest (12.07. bis 13.07.1975) geplant.
Im Gedanken an den Putsch in Chile im Jahre 1973 organisiert das Chilekomitee die kulturellen und politischen Inhalte der Veranstaltung.
Lediglich der zuständige Referent, Bürgermeister Kurt Frenzel, setzte sich für die Durchführung des Festes ein und beruhigte Eltern und Bürger und das erste Kommunikationsfestival der Stadt Aschaffenburg fand statt.
Das Stadtjugendamt finanzierte einen Teil der Veranstaltung und stellte den Nilkheimer Park zur Verfügung, alles unter der Bedingung Auflagen im Sinne von Recht und Gesetz zu erfüllen.

Es gab Volksmusik aus Bolivien, Rockmusik aus Nürnberg und spontane Sessions von Musikern zu hören.
Am Samstag abend führte eine chilenische Musikgruppe südamerikanische Tänze auf und sang Lieder aus ihrer Heimat – auch über den Widerstand gegen die faschistische Regierung – .
Der Putsch in Chile war Thema des Films, der gezeigt wurde.
Informiert wurde über Chile, Indonesien und Portugal, alles Länder, in denen die Bevölkerung durch totalitäre Systeme unterdrückt und verfolgt wurde.

Die Besucher kamen nicht nur zu den Infoständen, Rockgruppen, und Filmen. Es waren vom Anfang an auch die paar Tage Freiheit, das Aussteigergefühl, das man sich hier erkämpft hatte.
Als Veranstaltungsort wurde der Nilkheimer Park am Rande des Aschaffenburger Stadtteils Nilkheim gewählt. Der griechische Musentempel in dessen Mitte wurde vom ersten Fest an das Wahrzeichen der Veranstaltung.
Die Säule unserer Kraft.

1976 Nilkheimer Parkfest auf dem Wege zum KOMMZ
(auf dem Weg zur Eigenverwaltung)
Durch dieses erste Parkfest kristallisierte sich im kommunalen Jugendhaus die KOMMZ-Gruppe heraus. Verantwortlich war zu Beginn die Abteilung Jugendpflegemaßnahmen des Stadtjugendamtes Aschaffenburg.
Unter der Trägerschaft des Stadtjugendamtes veranstalten die KOMMZ-Gruppenmitglieder auch 1976 und 1977 wieder ein Parkfest, das KOMMZ (kommt’s alle).
Das KOMMZ will Plattform für Jugendliche sein, die nicht nur konsumieren wollen. Ein Fest sein, bei dem das Unvorhergesehene das Fest ist.
‘Ihr macht das Fest mit uns’, heißt es in der Einladung der Organisatoren an Jugend und Initiativgruppen aus Aschaffenburg und Umgebung.
Es soll die Möglichkeit geboten werden, den Besuchern brisante Themen nahe zu bringen.
In der Politik ging es 1976 / 77 um Anti-Militarismus oder den Imperialismus der BRD in Südafrika. Schriften zum Klassenkampf und Anarchismus wurden angeboten, am Frauengruppenstand wurde über §218 diskutiert.
Die KOMMZ-Gruppe verpflichtet Musikgruppen verschiedenster Couleur, organisiert Theatergruppen und Kabarettvorführungen.
Die Besucher können kostenlos an Malkursen bis Musikstunden aktiv teilnehmen.

1978 Gibt es noch ein Fest
Im Frühjahr 1978 schien alles zu Ende zu sein.
Die Stadt Aschaffenburg hatte nach internen politischen Querelen das kommunale Jugendhaus geschlossen. Das Jugendamt lehnte die Ausrichtung des Festivals ab und entzog der KOMMZ-Gruppe die finanziellen Mittel, obwohl die Vorbereitungen schon auf Hochtouren liefen und Verträge mit Musikgruppen bereits abgeschlossen waren.
Eine handvoll KOMMZler brachte, trotz fast unüberwindbarer Auflagen von Seiten des Ordnungsamts und der Polizei – noch bis eine Woche vor Beginn -, auch das vierte KOMMZ zum Leben, das erste freie und unabhängige KOMMZ.
Ein Hauptverantwortlicher (HVA) mußte gefunden werden, um die Belange der Gruppe vor Ämtern und für Verpflichtungen, die aus dem Kulturprogramm erwachsen zu vertreten.
Dieser wurde nach dem KOMMZ 1978 fünf Stunden Arbeitseinsatz nach Weisung des Jugendamtes verurteilt.
– …Volker H. aus Aschaffenburg, 19 Jahre, Abitur, aus Überzeugung ohne Beruf, auf eigenen Füßen stehend durch Gelegenheitsarbeiten, ist eines Vergehens gegen das Versammlungsgesetz angeklagt. Das meint nicht Auswüchse bei einer Demonstration oder eine unerlaubte Versammlung. Vielmehr verhedderte sich Volker im Sommer während des Kommunikationsfests KOMMZ im Nilkheimer Park in einem Auflagenwald, den das Aschaffenburger Ordungsamt nach den Empfehlungen der Polizei – zweifellos zu Recht- zur Sicherheit der Teilnehmer erlassen hatte. Die Anklage spricht von Flatterleinen, die in nicht ausreichender Weise gespannt waren; von einer Fernsprechleitung, die nicht betriebsbereit war; von Beleuchtungseinrichtungen, die fehlten; von einem Halteverbotsschild, das nicht aufgestellt war. So weit, so gut, im Wesentlichen auch nicht bestritten.
Zu seiner Rechtfertigung holt Volker H. weit aus. Er sieht sich in lokalpolitische Mühlen geraten: KOMMZ ist ein Kind des Kommunalen Jugendhauses. Beide sind in der Stadt von Anfang an umstritten. Das Jugendhaus wird im vergangen Jahr geschlossen. Nach dem dritten KOMMZ, 1977, wird wegen des Erfolgs für den folgenden Sommer ein Parkfest beschlossen. Die Verantwortung übernimmt, wie in den Jahren zuvor, die Stadt. Denn KOMMZ ist anerkannt als Stadtjugendpflegemaßnahme. Die jungen Leute stürzen sich in die Vorbereitungen. Verhandlungen mit den Musikgruppen werden geführt. Die Stadt schließt mit einer Band einen Tausendmark-Vertrag. Dann, viereinhalb Wochen vor dem Fest, macht die Stadt einen Rückzieher. Nach dem Wechsel des Bürgermeisters, so Volker H., geht nichts mehr. Die Stadt zieht jegliche Finanzhilfe zurück, läßt die KOMMZ-Leute auch allein mit der schon (durch Unterschrift der Stadt) verpflichteten Band und dem Tausendmark- Vertrag. Volker: Das KOMMZ ist ins Wasser gefallen. Die jungen Leute aber wollen zeigen, dass sie – trotz ihrer Bärte und langen Haare- etwas leisten, ein Festival auf die Beine stellen können. Das Gesetz fordert für derartige Veranstaltungen einen Verantwortlichen. Volker H., 19 Jahre jung und mitten im Abitur, springt ein. Er nimmt die Verhandlungen mit der Stadt auf….
Reaktion auf der Anklagebank: Volker H. fühlt sich offensichtlich verschaukelt. Er sieht sich für Bagatellen bestraft, die bei anderen Veranstaltern vor und nach dem – Kommz78 – toleriert worden seien. Auch die Stadt Aschaffenburg habe in den vergangenen Jahren, als sie selbst Veranstalter war, weit mehr Spielraum gehabt. Solche Einlassungen, schon während der Beweisaufnahme geäußert, hört der Staatsanwalt allerdings gar nicht gern. Er folgerte aus Überlegungen – es wird schon gehen – einen bedingten Vorsatz. Das Jugendverfahren kennt mehr erzieherische Gesichtspunkte als der Erwachsenenprozeß. Deshalb gibt der Staatsanwalt Volker zu bedenken, dass unser Gesellschaftssystem Ordnungsprinzipien voraussetze. Darüber könne man sich nicht einfach hinwegsetzen. In der Verantwortung dürfe man sich auch nicht auf das fehlerhafte Verhalten anderer berufen. Der Staatsanwalt bescheinigt Volker Intelligenz und Einsichtsvermögen. Trotzdem hält er als Zuchtmittel eine Verwarnung und eine Arbeitsauflage aus erzieherischen Gründen für notwendig. Ob wohl einen intelligenten jungen Mann eine zweistündige Verhandlung nicht auch ohne Verurteilung zu Einsicht bringen kann? Die Stadtverwaltung hat die zehn Mark Mietgebühr für das defekte Telefon bis heute nicht zurückerstattet. –
Der Bericht über das Gerichtsverfahren in der Zeitung endete mit dem Satz:
– Wer veranstaltet das nächste KOMMZ ? -.
richtiger wäre wohl für jedes Folgejahr gewesen: ‘Gibt es heuer wieder ein KOMMZ?’ Jedes Jahr gab es neue Auflagen aus den verschiedensten Richtungen und immer wieder Gerangel um vernünftige Lösungen.
Der Beispiele gibt es genug.

Freundeskreis für Kultur e. V
Aufgrund wirtschaftspolitischer Vorschriften und Fragen der Verantwortlichkeit wurde 1991 der gemeinnützige Verein – Freundeskreis für Kultur – von den Mitgliedern der KOMMZ-Gruppe gegründet.
Als Kulturverein ist die KOMMZ Gruppe im Gegensatz zu anderen Festivalveranstaltern eben nicht auf die Erwirtschaftung von Profit ausgerichtet.
Wir sind früher wie heute darauf bedacht aus dem KOMMZ keinen Kommerz zu machen.
Wenn es zu einem Überschuss an Einnahmen kommt, wird in der Gruppe ausdiskutiert an welche Hilfsorganisation weltweit gespendet wird. Es werden Vorschläge zusammengetragen, Erfahrungen eingebracht und dann entschieden wohin die Spende geht, wobei wir alle bevorzugt dorthin spenden wollen, wo es auch tatsächlich ankommt bzw. Kontrolle gewährleistet ist.
Noch ein paar Details:

Werbung
In den ersten Jahren wurde in Aschaffenburg und Umgebung das Programm plakatiert. Dann wurden wenige selbstgemalte Plakate in Szenekneipen aufgehängt. Irgendwann wurde der Umfang des Festivals für die KOMMZler jedoch zu groß und der Termin wurde sogar verheimlicht. Es wird seither keine eigene Werbung mehr gemacht. Besucher kommen trotzdem aus ganz Deutschland und eigentlich ganz Europa.

Organisation
Bevor das Festival stattfinden kann, müssen viele Vorbereitungen getroffen werden. Dafür trifft sich der harte Kern der KOMMZler regelmäßig in einer Dorfschänke im Spessart. Das KOMMZ dauert alles in allem zwei Wochen. Eine Woche wird aufgebaut, dann ist KOMMZ und anschließend wird eine Woche lang abgebaut und der Park instandgesetzt. Viele Helfer nehmen sich für die Zeit Urlaub.

Vorbereitung
Mit den Jahren hat sich herauskristallisiert, wer für welche Aufgabe vorrangig zuständig ist.
Die KOMMZ-Mitglieder schliessen sich für die wichtigsten Aufgaben zu kleineren Gruppen zusammen, um effektiver arbeiten zu können.
Da gibt es zum Beispiel die Essensgruppe, die sich um alles rund um das Essen kümmert.
Da gibt es zum Beispiel die Musikgruppe, die sich um alles rund um die Musik kümmert.
Da gibt es zum Beispiel die Müllgruppe, die sich um alles rund um den Müll kümmert.

Park (Abbau nach dem KOMMZ)
Schützt den Park vor seinen Besuchern!
Stadtverwaltung und KOMMZ-Leute haben im Laufe der Jahre nach der geeignetesten Stelle für die Hauptbühne gesucht. Dort, wo die Hauptbühne heute steht, wird die laute Musik noch am besten von Bäumen gedämmt. Trotzdem hört ganz Nilkheim ein Wochenende lang kostenlos eine bunte Mischung aller Musikrichtungen…
…die Besucher haben Berge von Müll zurückgelassen, die von uns, den KOMMZ-lern, entsorgt werden müssen. Das Ordnungsamt hat zur Auflage gemacht, dass der Park so zu hinterlassen ist, wie er vorgefunden wird. Das bedeutet, dass der gesamte Park und das umliegende Gelände feinsäuberlich von Flaschen, Bierdeckeln, sonstigem Abfall gesäubert werden muss. Erst sammeln und sortieren wir den groben Abfall und rechen Wege und Wiesen. Die kahlen Stellen auf dem Rasen werden neu besäht und bewässert, wie es die Stadt Aschaffenburg zur Auflage gemacht hat.Zwischenzeitlich werden Bühnen, Spielplatz, Biertheke und Essensstand abgebaut.
Als letzten Akt der großen Aufräum- und Säuberungsaktion bilden wir eine Menschenkette, bewaffnet mit Gummihandschuhen und Abfallsäcken über die gesamte Breite des Parks. Wir laufen mit gesenktem Kopf den 800 Meter langen Park komplett ab. Kein Zigarettenstummel ist vor uns sicher. Jeder Schnipsel wandert in den Abfallsack…
Es versteht sich von selbst, dass wir versuchen unseren Besuchern auch ein bischen in die Verantwortung zu nehmen und wir freuen uns wirklich dass viele von sich aus Müllsäcke mitbringen und damit helfen, dass die KOMMZler nicht die Lust verlieren.

Die KOMMZ Gruppe
Noch ein letztes Wort zur KOMMZ-Gruppe selbst. Wir sind ein chaotischer Haufen, mittlerweile vier KOMMZ-Generationen arbeiten und feiern zusammen! Von alten Freaks in den 50ern reicht die Spanne bis zu den neuen Pampersträgern. Hausfrauen, selbständige Unternehmer, Arbeitslose, Studenten, Künstler, Handwerker und Schüler, alles Durcheinander und bunt gemixt.